Nieren, Lebern, Herzen und Lungen werden verpflanzt / Nieren-Lebendspende ist die 15.000. Transplantation seit 1968
Hannover (pm). Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) ist eines der größten Transplantationszentren Europas und im Bereich der Transplantationen bei Kindern und Jugendlichen eines der größten Zentren weltweit. Im Jahr 1968 hat die Erfolgsgeschichte mit der ersten Nierentransplantation begonnen. Jetzt haben die Ärztinnen und Ärzte der MHH die 15.000. Organtransplantation durchgeführt. Ein 40-jähriger Patient hat von seiner Mutter eine Niere gespendet bekommen. „Das belegt die Leistungsfähigkeit der MHH“, betont MHH-Vizepräsident Professor Dr. Frank Lammert, zuständig für das Ressort Krankenversorgung. „Im Transplantationszentrum der MHH ermöglicht die interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit
bundesweit einmalige Eingriffe.“ Begründet hat die Transplantationsmedizin an der MHH Professor Dr. Rudolf Pichlmayr, der zunächst die Nieren- und anschließend die Lebertransplantation etablierte. „Nieren und Lebern machen heute Zweidrittel der an der MHH übertragenen Organe aus“, sagt dessen Nachfolger, Professor Dr. Jürgen Klempnauer, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie.
Heute ist das Transplantationszentrum der MHH das führende Zentrum in Deutschland, an dem sowohl Erwachsenen als auch Kindern und Jugendlichen Herzen, Lungen, Lebern, Nieren und Bauchspeicheldrüsen transplantiert werden. Lungentransplantationen bei Kindern und sogar Säuglingen finden deutschlandweit nur an der MHH statt. Neben der Transplantation bei Kindern und Jugendlichen zeichnet die MHH Eingriffe wie Retransplantationen, Transplantationen von zwei Organen gleichzeitig wie etwa Leber und Herz sowie Transplantationen bei Blutgruppenunverträglichkeit aus.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit und langjährige Expertise sind das große Plus der MHH
„Das große Plus für die Versorgung der Patientinnen und Patienten sind sowohl die enge Zusammenarbeit innerhalb der MHH als auch die sektorübergreifende Kooperation bei Prävention, Vor- und Nachsorge sowie die rasche Umsetzung von aktueller Forschung in der Krankenversorgung“, sagt Professor Dr. Axel Haverich, Leiter des MHH-Transplantationszentrums und Direktor der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie. Von der MHH gingen in den vergangenen 50 Jahren zahlreiche international viel beachtete Innovationen aus. „In den vergangenen Jahrzehnten haben wir an der MHH eine einzigartige patientennahe Forschungsinfrastruktur aufgebaut. Der Bereich „Transplantation und Regeneration“ ist ein etablierter, international sichtbarer Forschungsschwerpunkt der MHH, der wissenschaftlich unter anderem mit zwei Sonderforschungsbereichen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und einem Exzellenzcluster ausgezeichnet wurde“, sagt Professor Dr. Michael Manns, Präsident der MHH und Vorstand für das Ressort Forschung und Lehre.
Transplantationen sind nicht kostendeckend finanziert
„Gefährdet ist diese Kompetenz durch die aktuell nicht kostendeckende Finanzierung der universitären Spitzenmedizin“, stellt MHH-Vizepräsident Professor Lammert fest. Die Behandlungen in Universitätskliniken werden wie in allen Krankenhäusern von Krankenkassen über die sogenannten DRGs (Diagnosis related Groups) vergütet. Besondere universitäre Leistungen und Operationen werden darin nicht getrennt abgebildet. Braucht ein Patient beispielsweise gleichzeitig ein Herz und eine Niere, wird nur eine der beiden Operationen ausreichend erstattet. Dies gefährdet die Zukunft der Universitätsmedizin im Ganzen und der Transplantationsmedizin im Speziellen.
Mutter spendet ihrem 40-jährigen Sohn eine Niere
Der 15.000. Patient, dem an der MHH ein Organ transplantiert wurde, ist Jens L. aus Rehburg-Loccum. Der 40-jährige Schlosser hat von seiner Mutter eine Niere bekommen. Jens L. kam mit Fehlbildungen an den Harnleitern zur Welt. Bereits mit 18 Monaten operierten ihn die MHH-Kinderärztinnen und -ärzte zweimal. Schon damals bereiteten die Ärzte die Familie auf eine mögliche Transplantation vor. Jens L. ging es vor der Transplantation verhältnismäßig gut. Er wollte bis kurz vor der Operation arbeiten. Zwei Wochen vor dem Eingriff verschlechterten sich seine Nierenwerte drastisch, und er musste kurzfristig an die Dialyse.
Transplantation trotz Blutgruppenunverträglichkeit
Seine Mutter Heike L. kam als einzige in der Familie als Spenderin infrage. Doch die Blutgruppen von Spenderin und Empfänger passten nicht zusammen. Dennoch wurde die Planung der Lebendspende von den Ärztinnen und Ärzten der von Professor Dr. Hermann Haller geleiteten MHH-Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen fortgeführt. Denn: Eine Blutgruppenunverträglichkeit stellt inzwischen keine Hürde mehr für eine erfolgreiche Nierentransplantation dar. Die MHH hat bereits mehr als 100 solcher Transplantationen durchgeführt. Nach der Transplantation kam es kurzzeitig zu einer Abstoßungsreaktion gegen das Transplantat. Durch die richtige Einstellung der das Immunsystem unterdrückenden Medikamente (Immunsuppressiva) und die Durchführung mehrerer Blutwäschen (Plasmapherese) konnte diese jedoch erfolgreich behandelt werden. „Die Lebendspende trotz Blutgruppenunverträglichkeit (AB0-inkompatibel) verkürzt die Wartezeit des Patienten auf ein Organ sowie die Zeit an der Dialyse und verbessert so die Lebensqualität und die Lebenserwartung“, erklärt Professor Klempnauer. In Deutschland warten deutlich mehr Patienten auf eine Niere als Spenderorgane über die Verstorbenen-Spende vorhanden sind. Die Wartezeit kann weniger als fünf, aber auch bis zu zehn Jahre betragen. Die Patienten, die eine Lebendspende bekommen, werden an der MHH gemeinsam in den Transplantationsambulanzen der Inneren Medizin, Chirurgie und Kinderheilkunde betreut.
„Kind bleibt Kind“
Fragt man die Mutter Heike L., was sie zu der Spende bewegt hat, antwortet die 60-Jährige: „Kind bleibt immer Kind. Ich hatte 40 Jahre Zeit, mich darauf vorzubereiten!“ Ihr 40-jähriger Sohn Jens L. hingegen war zunächst etwas zögerlich, die Spende anzunehmen. Doch: „Meine Mutter hat ein sehr einnehmendes Wesen. Egal, wie alt man ist, als Kind hat man auf seine Mutter zu hören“, sagt der alleinerziehende Vater von zwei Kindern.
Trotz COVID-19: Kein Rückgang bei Organspende und Transplantation
Mutter und Sohn hatten sich Mitte 2020 auf Empfehlung einer niedergelassenen Ärztin aus Hannover in der MHH vorgestellt. Durch die Corona-Pandemie konnten die umfangreichen Voruntersuchungen nicht alle unverzüglich stattfinden, sodass die Operation jetzt unter optimalen Bedingungen durchgeführt wurde. „Zum Glück,“ wie Heike L. findet, denn so konnten sich beide noch vor der Operation gegen COVID-19 impfen lassen. „Die COVID-19-Pandemie hatte nur einen geringen Einfluss auf die Transplantationen an der MHH“, sagt Professor Haverich. „Wir haben hier an der MHH und in Deutschland trotz der Corona-Pandemie weiter transplantiert. Nur die Lebendspende, als verschiebbaren Eingriff, hatten wir von April bis Anfang Mai 2020 ausgesetzt.“
Transplantationen 2019 und 2020: Kein Einbruch während der Corona-Pandemie
- Mit insgesamt 321 Organtransplantationen von Januar bis Ende Dezember 2020 (2019: 357) konnte das Transplantationszentrum auch während der Corona-Pandemie seine Arbeit erfolgreich fortsetzen.
- Insgesamt wurden 21 Herzen, 82 Lebern, 119 Nieren, 94 Lungen und fünf Bauchspeicheldrüsen transplantiert. Zwei Herzen, 24 Lebern, sechs Nieren und 11 Lungen gingen davon an Menschen, die jünger als 18 Jahre alt waren.
- Im Jahr 2019 waren es im gleichen Zeitraum 23 Herzen, 77 Lebern, 147 Nieren, 103 Lungen und sieben Bauchspeicheldrüsen. Davon erhielten Kinder und Jugendliche fünf Herzen, 23 Lebern, 16 Nieren und sechs Lungen.
- Laut der Deutschen Stiftung Organspende geht der leichte Rückgang 2020 auf die geringere Verfügbarkeit von Spenderorganen im gesamten Eurotransplant (ET)-Raum zurück, dem acht europäische Staaten – darunter Deutschland – angehören.