Niedersachsen – Gemeinsam durch die Energiekrise

v.l. Meyer, Zapreva, Weil, Althusmann, Schmitt, Brunotte
(v.l.): Hubert Meyer (KSV, Hauptgeschäftsführer NLT), Dr. Susanna Zapreva (Vorstandsvorsitzende Enercity AG), Stephan Weil (Ministerpräsident), Bernd Althusmann (Wirtschaftsminister), Susanne Schmitt (Verbandsdirektorin vdw), Marco Brunotte (Vorsitzender Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege und Vorstandsvorsitzender AWO -Bezirksverband Hannover) - Quelle: Nds. Staatskanzlei

Niedersachsen steht zusammen und packt gemeinsam an

Hannover (pm). Der völkerrechtswidrige Überfall Russlands auf die Ukraine war eine Zäsur für uns alle. Die daraufhin erfolgten Sanktionen der EU waren und sind notwendig. Die Folgewirkungen des Krieges und der Sanktionen für unsere Bevölkerung und Unternehmen sind schwerwiegend. Wir stehen deshalb vor großen, vor allem sozialen aber gleichsam auch wirtschaftlichen Herausforderungen in Niedersachsen. Fast alle Lebensbereiche sind von den steigenden Energiepreisen und der anhaltend hohen Inflation betroffen.

Deswegen ist es ein starkes Zeichen, dass sich viele relevante gesellschaftliche Akteure wie die öffentliche Hand mit Land und Kommunen, Wirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen, Energieversorger und Sozialverbände zusammengefunden haben, um gemeinsam Lösungen für die Menschen in Niedersachsen umzusetzen. Ihnen gemeinsam ist das Ziel, alles zu unternehmen, damit die aktuelle Lage nicht zur Zerreißprobe für die Menschen in unserem Land wird. Niedersachsen steht zusammen und packt gemeinsam an. Wir setzen ein Zeichen des gemeinsamen Handelns und wollen gemeinsam durch die Energiekrise gehen.

1.      Soziale Notlagen abfedern

Spätestens mit der ab Oktober greifenden zusätzlichen Umlage für alle Haushalte auf Gas werden vor allem einkommensschwache Haushalte an finanzielle Grenzen stoßen. Die beteiligten Akteure sind sich darüber einig, dass gerade die wirtschaftlich Schwächsten in dieser Krise unterstützt werden müssen.

Einigkeit besteht bei den beteiligten Akteuren darüber, dass es hierzu vor allem weiterer wirksamer staatlicher Entlastungsmaßnahmen des Bundes bedarf, wozu unter anderem eine schnelle Anpassung des Regelsatzes zur Grundsicherung, der Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Heizung, des Kindergeldes und des Wohngeldes, Energiekostenzuschüsse sowie die Streckung der EnSiG-Umlagen gehören. Darüber müssen aber vor allem auch Haushalte im unteren Einkommensbereich und von Nicht-Erwerbstätigen in den Blick genommen werden, die keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben.

Denn die Energiepreissteigerungen treffen nicht nur Menschen hart, die finanziell kaum Spielraum haben, Rücklagen zu bilden, sondern auch Menschen aus der Mittelschicht werden die immensen Kosten nicht mehr alle zahlen können. So sollten beispielsweise Rentnerinnen und Rentner sowie Studierende in die Zahlung des Energiegeldes einbezogen werden bzw. eine vergleichbare Leistung bekommen.

Neben dem Abfedern bestehender Notlagen gilt es zudem, das Entstehen weiterer sozialer Notlagen zu vermeiden. Die Sicherung von Arbeitsplätzen ist dafür wesentlich.

Alle Mieterinnen und Mieter werden angesichts der absehbaren Nachzahlungen bei den Nebenkosten dringend dazu aufgerufen, in den nächsten Monaten mit Gas und Strom umsichtig umzugehen und die Verbräuche zu reduzieren – auch wenn damit kleinere Komfortverluste verbunden sein sollten. Auf dieser Grundlage werden die Verbände der Wohnungswirtschaft ihrerseits so weit als möglich Wohnungskündigungen vermeiden, wenn Haushalte ihre Nachzahlungen nicht leisten können. Voraussetzung dafür seien aber eigene Sparbemühungen der einzelnen Mieterinnen und Mieter. Die Verbände der Wohnungswirt-schaft unterstützen hierbei auch durch entsprechende Beratung. Außerdem setzen die vdw-Mitgliedsunternehmen die energetische Sanierung ihrer Altbestände fort und werden die vorhandenen Heizanlagen vor dem kommenden Winter technisch optimieren und in Einzelfällen auch um wenige Grad herunterregulieren.

Die 500.000 ehren- und hauptamtlichen Helferinnen und Helfer der LAG Freien Wohlfahrtspflege ebenso wie Kirchen stehen zur Unterstützung und Beratung von Menschen in Notlagen zur Verfügung. Das können peer-to-peer-Beratungen, Unterstützung bei Energiechecks oder andere Hilfeleistungen sein.

Die beteiligten Akteure sind sich einig, dass bei Zahlungsschwierigkeiten die Einstellung von Gas- und Stromlieferungen und die Überschuldung betroffener Haushalte möglichst vermieden werden müssen. Die Energieversorger in Niedersachsen versuchen Lösungen zu finden, die eine Sperrung verhindern. Viele Stadtwerke und Versorger arbeiten dabei mit Schuldnerberatungen, karitativen Einrichtungen und den Jobcentern zusammen. Diese Unterstützung hilft den Betroffenen mehr als ein Moratorium und vermeidet den Aufwuchs von Forderungen, die schnell zur Schuldenfalle werden. Die niedersächsische Energiewirtschaft sagt zu, die bereits von ihr praktizierten Maßnahmen für bedürftige Haushalte fortzuführen und weiter zu intensivieren. Die Liquidität der Energieversorger muss dabei sichergestellt sein.

In Ergänzung und nachrangig zu Maßnahmen des Bundes kann die Einrichtung von Härtefallfonds ebenfalls dabei helfen, Strom- und Gassperren zu verhindern. Die Landesregierung ist bereit, sich auf der Basis von Konzepten der Kommunen und/ oder Energieversorger zu einem Drittel an den Kosten von lokalen Härtefallfonds zu beteiligen. Mit diesen Härtefallfonds sollen Menschen in besonderen Notlagen, die ihre Energiekosten nicht bezahlen können und bei denen soziale Sicherungssysteme nicht greifen, subsidiär eine Unterstützung bekommen Hierzu ist landesseitig zunächst ein Betrag bis zu 50 Millionen Euro vorgesehen. Die kommunalen Spitzenverbände sowie die Verbände der Energiewirtschaft in Niedersachsen sagen zu, das Ob und Wie in ihren Gremien zügig abschließend zu beraten. Die Landesförderung ist ein Angebot, die Fonds, ihr Volumen und die Administration bleiben eine Entscheidung vor Ort.

Die beteiligten Akteure sehen auch einen höheren Bedarf an Verbraucher- und Schuldnerberatungen. Wohlfahrtsverbände, Kirchen, Kommunen und Land sagen zu, diese Angebote weiter zu unterstützen. Die Landesregierung beabsichtigt, ihre finanzielle Förderung für die soziale Schuldnerberatung sowie die Verbraucherberatung noch in diesem Jahr zu erhöhen.

Die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbaren Lebensmitteln ist von herausragender Bedeutung. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist angesichts des aktuell wachsenden Bedarfs für die zahlreichen in Niedersachsen vorhandenen Tafeln eine zunehmende Herausforderung. Die strukturelle Unterstützung und Stärkung der professionellen Arbeit der Tafeln wird derzeit von einer Reihe von Akteuren geprüft. Geplant wird daher eine stärkere Einbindung der Direktvermarkter in die Lieferkette der Tafeln. Die Tafeln beabsichtigen die Einrichtung von regionalen Verteilzentren. Die Landesregierung beabsichtigt, hierzu ihre finanzielle Förderung für die Tafeln noch in diesem Jahr zu erhöhen. Außerdem soll es landesseitig eine „Werbekampagne“ zur Stärkung des ehrenamtlichen Engagements bei den Tafeln geben und dabei auch die stärkere Einbindung von Freiwilligencentern und Jobcentern sowie weiterer Akteure in den Blick genommen werden.

2.      Energie sparen

Die beteiligten Akteure sind sich einig, dass durch ein geändertes und energiebewusstes Verhalten jeder und jedes Einzelnen in der Summe ein deutlicher Beitrag zur Energieeinsparung geleistet werden muss. Die beteiligten Akteure haben rund 250 Vorschläge zusammengetragen und werden diese in ihrem Wirkungskreis vorantreiben. Die Vorschläge reichen von lebenspraktischen Hinweisen zum Lüften bis hin zu technischen Maßnahmen wie den hydraulischen Abgleich von Heizungsanlagen oder Dämmmaßnahmen an Fenstern, Türen und Gebäuden. Das Generieren von Einsparungen betrifft sowohl private Haushalte als auch Unternehmen.

Die beteiligten Akteure sind sich einig, dass einkommensschwache Haushalte einer besonderen Unterstützung bei der Realisierung von Energieeinsparmöglichkeiten brauchen. Die Energieberatung soll daher ausgebaut werden. Dazu gehören insbesondere Angebote wie Stromspar-Checks, Gebäude-Checks oder Beratungen zur Optimierung der Heizung. Dazu will jeder der beteiligten Akteure seinen Beitrag leisten. Die Landesregierung beabsichtigt, ihre finanzielle Förderung für die Energieberatung noch in diesem Jahr entsprechend zu erhöhen.

Zudem hat die Landesregierung für seine landeseigenen Liegenschaften bereits einen
4-Punkte-Plan vorgelegt. So soll durch effizientes Flächenmanagement die Flächennutzung um zehn Prozent bis 2030 reduziert werden. Landeseigene Dächer werden mit Photovoltaik erschlossen. Es wird mehr Geld eingesetzt für die energetische Ertüchtigung von Landesliegenschaften. Und Gebäude mit dem schlechtesten energetischen Stand werden zuerst saniert. Die Beschäftigten sollen zudem einen Leitfaden mit Energiespartipps für den Arbeitsplatz an die Hand bekommen.

Notwendig sind zudem verbesserte Beratungs- und Förderangebote auch auf Bundesebene für Private und Unternehmen, die Maßnahmen zur Verbesserung der baulichen oder betrieblichen Energieeffizienz durchführen oder die Energie- und Wärmeerzeugung auf erneuerbare Energien umstellen wollen.


3.      Kampagne „Gemeinsam durch die Energiekrise“

Da der Informations- und Beratungsbedarf rasant wächst, haben die beteiligten Akteure sich auf eine gemeinsame Kampagne „Gemeinsam durch die Energiekrise“ verständigt. Ziel dieser modular aufgebauten Kampagne ist es, die unterschiedlichsten Zielgruppen im Land zu erreichen. Dabei wird es über aktuelle Hinweise zum Energiesparen hinaus auch Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten, sozialen Hilfen oder Best-Practice-Beispielen geben. Logo und Slogan dienen als „Dach“ für die Kommunikationsmaterialien. Die Zusammenführung erfolgt auf der Homepage des Landes, auf der die Energiespartipps für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen weiterführend erklärt und grafisch aufbereitet werden. Die Inhalte sollen barrierefrei zugänglich sein.

 
4.      Weitere unnötige Belastungen vermeiden

Die ohnehin schon belastete Situation für viele Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen darf nicht durch zusätzliche gesetzliche und administrative Hemmnisse verschärft werden. Die Landesregierung wird hierauf bei ihren Vorhaben einen besonderen Fokus legen und auch bei neuen Vorhaben des Bundes und der EU seine Möglichkeiten zur Einflussnahme nutzen.

KMU, insbesondere die Klein- und Kleinstunternehmen sowie die gemeinnützigen Vereine der Freien Wohlfahrtspflege, können im Energiebereich anders als Großabnehmer keine Preise aushandeln, zugleich aber die Preissteigerungen auch nicht weitergeben; Gaseinsparungen oder der Wechsel zu anderen Energieformen sind für einen Großteil der KMU (kurzfristig) kaum oder nur unter immensen wirtschaftlichen Einbußen möglich. Die Folgen der Energiekrise treffen auch sie deshalb ebenso wie die Privathaushalte massiv. Da die allermeisten KMU die Zugangsvoraussetzungen für die Sonderprogramme des Bundes indessen nicht erfüllen und damit von diesen nicht werden profitieren können, muss es auch für sie Hilfsprogramme geben, damit sie durch die Gaskrise nicht in Insolvenzen geraten, in deren Folge sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht länger beschäftigen können. Niedersachsen hat deshalb bereits eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, um ein branchenoffenes und bundesweit wirkendes Förderprogramm für den Mittelstand aufzulegen. Bessert der Bund seine Hilfsprogramme dennoch nicht nach, kann es möglich sein, auch Klein- und Kleinstunternehmen bei den regionalen Härtefallfonds zu berücksichtigen.

Darüber hinaus wird das Land seine Kompetenzen im Vollzug des Steuerrechtes verstärkt nutzen. So können zur Sicherung der Liquidität der Unternehmen die Finanzbehörden Maßnahmen treffen, wie die Herabsetzung der Vorauszahlungen, Stundungsregelungen, Verlängerung der Erklärungsfristen sowie den Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen. Deren Anwendung wird das Finanzministerium möglichst einheitlich regeln.

Die Landesregierung will noch in diesem Jahr einen Energiehilfe-Notfallfonds von zunächst bis zu 100 Millionen Euro bereitstellen. Davon sollen bis zu 50 Millionen Euro für die Unterstützung lokaler Härtefallfonds sein.