Ukraine-Krieg: Wie wirkt sich die Krise auf niedersächsische Unternehmen aus?

Indsutrieschweißer
Symbolbild Industrieschweißer - Quelle: Pixabay

Statements von Dr. Bernd Althusmann, Maike Bielfeldt, Christoph Meinecke und Dr. Volker Schmidt zum Branchengespräch

Hannover (pm). Aufgrund des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine ist Niedersachsens Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann heute mit IHKN, UVN, NiedersachsenMetall und ausgewählten Unternehmen und Betrieben in den Dialog getreten. Ziel war es, aus erster Hand zu erfahren, in welcher Situation sich niedersächsische Unternehmen befinden, die sich in unterschiedlicher Art und Weise wirtschaftlich in der Ukraine und/oder Russland engagieren.

Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann: „Die hohen Energiepreise treiben einige Unternehmen bereits an ihre Grenzen. Deshalb brauchen wir umgehend eine spürbare Entlastung bei den Energieabgaben. Diejenigen niedersächsischen Unternehmen, die in Russland und der Ukraine Niederlassungen haben – wir sprechen von über 500 – oder Umsätze machen, ächzen unter der derzeit wegbrechenden Geschäftsgrundlage. Fehlende Rohstoffe, nicht mehr funktionierende Lieferketten, Cybersicherheit, Inflation – die Herausforderungen sind vielfältig und gewaltig. Die Krise wird manche Branchen härter treffen als die Corona-Pandemie. Der Bund muss jetzt schnell Kompensationen für entstandene Schäden und spezielle Schutzschirme für besonders betroffene Branchen auf den Weg bringen.“

Maike Bielfeldt, Hauptgeschäftsführerin der IHK Niedersachsen: „Die niedersächsische Wirtschaft steht in großer Mehrheit absolut hinter den Sanktionen – auch wenn inzwischen deutlich erkennbar wird, was das an Einschnitten für die Betriebe bedeutet. Viele brechen ihre Geschäftsbeziehungen nach Russland ab, nicht nur im Export, sondern auch im Import – hier belastet die Suche nach neuen Lieferanten die Lieferketten deutlich und viele Betriebe stehen ungelösten Haftungsfragen im Russlandgeschäft gegenüber. Aber auch dort, wo unbelastet von Sanktionen noch Geschäftsverbindungen bestehen, behindern Einschränkungen der Logistik den Ablauf erheblich. Für einzelne Unternehmen, die bisher besonders große Umsatzanteile mit russischen Partnern erzielt haben, wird die Situation existenzbedrohend.“

Christoph Meinecke, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen e.V. (UVN): „Der Krieg in der Ukraine trifft die Wirtschaft mit Lieferengpässen und daraus folgenden Produktionsstopps. Dazu kommen die dramatischen Energiepreissteigerungen, die viele Betriebe gefährden. Ein wettbewerbsfähiger Industriestrompreis ist überlebensnotwendig, damit in Klimaschutz und Wasserstoff investiert werden kann. Sonst werden wir in Europa kein Molekül Wasserstoff produzieren. Deshalb muss die hohe Abgabenlast auf Energie für Unternehmen sinken. Mittel- und langfristig müssen wir unabhängig werden von Energieimporten aus Russland. Dabei geht es nicht nur ums Heizen, sondern um Tausende von Arbeitsplätzen in der Industrie. Energieintensive Industriebranchen brauchen Versorgungssicherheit. Wenn plötzlich der Ofen kalt wird, können Gießereien und Stahlwerke hier nicht mehr produzieren. Bestehende Preiskalkulationen werden innerhalb weniger Tage durch stockende Lieferketten und explodierende Logistik-, Rohstoff- und Treibstoffpreise über den Haufen geworfen – in allen Branchen von Industrie über die Ernährungswirtschaft, den ÖPNV, den Bau bis zum Handwerk. Das wirkt sich auch auf öffentliche Aufträge aus. Hier müssen Bund, Land und Kommunen zur Nachverhandlung bereit sein.“

Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall: „Der Krieg in der Ukraine hat bereits jetzt weitreichende Folgen für die deutsche Wirtschaft, die mit jedem weiteren Tag, den die Kämpfe andauern, gravierender werden. Neben den horrenden Preisen für Energie gehen auch die Logistikkosten durch die Decke. Damit drohen die ohnehin schon extrem belasteten Lieferketten großflächig zu zerreißen. Durch das Embargo sowie den Krieg gelangen zudem viele wichtige Rohstoffe und Vorprodukte aus Russland und der Ukraine nicht mehr nach Westeuropa. Das hat vor allem für Niedersachsens Zulieferer gravierende Folgen: Durch die Konzentration großer Autohersteller auf die Produktion von Kabelbäumen in der Ukraine fehlen nun systemische Vorprodukte, die das Potenzial haben, die Produktion in einzelnen Standorten für längere Zeit lahmzulegen. Das hat zur Folge, dass zahlreiche Autozulieferer in Niedersachsen keine Abnehmer für ihre Produkte finden und existenziell bedroht sind. Die Lage der Industrie ist sehr ernst. Jetzt ist von Seiten der Politik zupackender Pragmatismus und ein hohes Maß an Flexibilität gefordert. Eine Verlängerung der Kurzarbeitergeld-Regelung und die hundertprozentige Erstattung der Sozialabgaben bis zum 31. Dezember 2022 wären ein solcher erster Schritt. Unternehmen und Beschäftigte brauchen jetzt Planungssicherheit mehr denn je. Debatten über neue Belastungen der Unternehmen wie die Lieferkettenrichtlinie und die sogenannte „Sozial-Taxonomie“ der EU sind völlig fehl am Platz. Unter Kostenentlastungspunkten wären sinnvoll: eine vorübergehende Absenkung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent auf Energie, die Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe und die vom heutigen Bundeskanzler noch im vergangenen Jahr angekündigte massive Absenkung des Industriestrompreises.“