Bei den Johannitern entdecken Menschen mit Demenz virtuelle Welten

Die Ehrenamtliche Marianne Eckstein (links) lässt sich von Koordinatorin Anika Jagodzinski die VR-Brille erklären.
Die Ehrenamtliche Marianne Eckstein (links) lässt sich von Koordinatorin Anika Jagodzinski die VR-Brille erklären. - © Johanniter/Janna Schielke

Noch einmal reisen mit der VR-Brille

Hannover (pm). Von einem Berggipfel den Blick in die Ferne schweifen lassen. Die Landschaft sieht von oben ganz klein aus und der Himmel ganz nah. Auf einem Steg in die Abendsonne blicken. Das Wasser plätschert sanft gegen das Holz und das Licht wird golden. Das sind Erfahrungen, die Menschen mit fortgeschrittener demenzieller Erkrankung oft nicht mehr machen können. Zu hoch sind die Hürden, die mit Reisen und längeren Ausflügen verbunden sind. Auch weiter entfernt lebende Verwandte und Freunde zu sehen oder auch nur einen langen Spaziergang durch den Park zu unternehmen, ist für viele nicht mehr möglich. Anke Rohlfs vom Demenz-Projekt der Johanniter mit ihrem ehrenamtlichen Team möchte hier Alternativen bieten und setzt auf technische Lösungen: In Kooperation mit dem Start-Up Granny Vision bieten sie ihren demenziell erkrankten Klientinnen und Klienten virtuelle Ausflüge mittels VR-Brille, die 360-Grad-Bilder erzeugt. „Sie können so noch einmal reisen“, sagt Anke Rohlfs. Sicher und bequem vom Sessel aus können die Menschen dann einen Waldspaziergang machen oder am Strand den Wellen zuschauen. Granny Vision stellt die Technik. Das Johanniter-Team leitet die Nutzerinnen und Nutzer an und begleitet sie auf ihrer Reise, passen auf, dass sich niemand verletzt oder Irritation erfährt.

Mitmachen können die Klientinnen und Klienten des Demenz-Projekts, die von Ehrenamtlichen ambulant zuhause begleitet werden. Auch für die Bewohnerinnen und Bewohner der beiden Demenz-WGs der Johanniter soll es virtuelle Reisen geben. Die Ehrenamtlichen haben die Brillen bereits ausprobiert und eine Einweisung erhalten. So wollen sie zum Beispiel den Mitgliedern der Frühstücksgruppe für Menschen mit Demenz virtuelle Reisen ermöglichen. Am Anfang steht die Frage: Wo möchten Sie heute hin? Das Team bezieht bei der Auswahl der Bilder auch die jeweilige Biografie mit ein. Wenn jemand zum Beispiel unter Höhenangst leidet, geht es nicht in die Berge, sondern etwa an den Strand. „Viele wollten die Brille gar nicht wieder absetzen“, erzählt Anke Rohlfs. „Wir konnten oft schon an der Köperhaltung erkennen, wie sich die Menschen entspannen.“ Darum geht es: Zur Ruhe kommen, genießen, ein wenig Urlaubsstimmung erfahren. Die Bilder sind darauf genau abgestimmt, zeigen beliebte Reiseziele und verzichten auf grelle Farben oder schnelle Bewegungen. Zusätzlich gibt es dank Unterstützung durch die Stadtverwaltung 360-Grad-Aufnahmen von Hannover, die Sehenswürdigkeiten wie den Maschsee oder das Neue Rathaus zeigen. Wenn die demenziell Erkrankten dann einen virtuellen Spaziergang unternehmen, beruhigen sie die vertrauten Bilder.

„Auch für Menschen, die am Lebensende stehen, bietet die VR-Brille tolle Möglichkeiten“, sagt Anika Jagodzinski, die den ambulanten Hospizdienst der Johanniter koordiniert. Wenn die körperlichen Einschränkungen so stark werden, dass die Menschen im Bett bleiben müssen, verleiht die virtuelle Realität noch einmal Freiheit. Für beide – die Klientinnen und Klienten des Hospizdienstes wie des Demenz-Projekts – ist es außerdem wichtig, mit ihren Lieben in Kontakt bleiben zu können. Wenn das physisch nicht geht, helfen zwei neu angeschaffte Tablets. Per Video-Call können so Familien und Freunde Zeit miteinander verbringen. Möglich wurden die neuen technikgestützten Angebote auch durch private Spenden zu diesem Zweck: Die Baumschule Peter Nötel und weitere haben unterstützt.

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