Gezielte Prävention und mehr Beratung
Hannover (pm). Der Kampf gegen Obdachlosigkeit bleibt einer der sozialen Schwerpunkte der Landeshauptstadt Hannover. Dabei beschränkt sich die Stadt nicht darauf, Obdachlose unterzubringen und ihnen soziale Angebote zu machen. Sie verfolgt darüber hinaus das Ziel, der Obdachlosigkeit mit Prävention entgegenzuwirken. Aktuell bereitet die Stadt die Einrichtung einer neuen „Fachstelle zur Prävention von Wohnungsverlust“ vor. Das erklärten Oberbürgermeister Belit Onay und Sozialdezernentin Sylvia Bruns in einem Pressegespräch an diesem Donnerstag.
Es geht darum, drohender Obdachlosigkeit schnell aktiv zu begegnen und Teilhabe für die Betroffenen zu ermöglichen. „Unser Ziel ist es, Obdachlosigkeit gar nicht erst entstehen zu lassen, sondern durch Prävention und Beratung zu vermeiden“, erklärte Onay. „Mit der Gründung einer ‚Fachstelle zur Prävention von Wohnungsverlust‘, die im neuen Fachbereich ,Gesellschaftliche Teilhabe‘ angesiedelt ist, setzen wir hier noch einmal einen ganz deutlichen Fokus. Wir unterstützen aktiv die Ziele des Europaparlamentes, Obdachlosigkeit bis 2030 abzuschaffen“, so der Oberbürgermeister. „Das hannoversche Konzept für Teilhabe steht auf drei Säulen: Unterkünfte weiterentwickeln und möglichst in der Einzelzimmerbelegung bereitzustellen, obdachlosen Menschen durch soziale Angebote Hilfe und Orientierung zu geben und die Obdachlosigkeit deutlich zu reduzieren und da, wo es möglich ist, zu vermeiden.“
In Richtung Politik forderte Onay nachdrücklich: „Die Städte arbeiten mit Hochdruck daran, preisgünstigen Wohnraum zu schaffen. Die Bundesregierung muss jetzt zügig ihren geplanten Nationalen Aktionsplan präsentieren. Darin müssen wirksame Maßnahmen enthalten sein, um Wohnungslosigkeit stärker zu bekämpfen und die Situation am Wohnungsmarkt grundlegend zu verbessern“.
Neue Fachstelle bündelt Know-How
Ziel des neuen Angebotes in Hannover ist es, eine Lücke in der Beratung zu schließen, wo von Wohnungslosigkeit betroffene Menschen derzeit keine Anlaufstelle finden. Bei einer Räumungsklage oder Kündigung können die Menschen die neue Fachstelle aufsuchen. Gemeinsam mit festen Ansprechpartner*innen können die Betroffenen ihre Situation individuell analysieren und Lösungen entwickeln. Das können beispielsweise die Beratung zu Sozialleistungsansprüchen, die Einbeziehung externer Fachdienste oder die Klärung und Beantragung von finanziellem Unterstützungsbedarf zum Ausgleich von Mietschulden sein.
Die Fachstelle bündelt das städtische Know-How – zum Beispiel finanzielle Hilfen, ambulante Hilfen, sozialpädagogische Beratung. Sie kann gleichzeitig die Kompetenzen und Angebote des Netzwerks nutzen, wie zum Beispiel Schuldnerberatung, Jobcenter, Mieterverein oder Beratungsangebote der Wohnungsunternehmen. Sie soll voraussichtlich in 2023 in der Praxis arbeiten und eine Kombination aus sozialpädagogischer Expertise und Sachbearbeitung anbieten.
„Die neue Fachstelle soll die bestehenden Angebote besser vernetzen, früher Unterstützung bei drohenden Räumungsverfahren bieten, eine Beratung und Unterstützung nach Wohnungserhalt durch Fachhilfen bieten und ein Fallmonitoring aufbauen, das Trends erkennt und Handlungsbedarfe früher identifiziert“, erläuterte Sozialdezernentin Sylvia Bruns. „Wichtig ist aus Sicht der Stadt, dass die Hilfe für die betroffenen Menschen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt einsetzt. Nicht alle Menschen werden mit dem Angebot, eine Fachstelle aufzusuchen, erreicht. Daher wird auch aufsuchende Beratung zum Leistungsangebot der Fachstelle gehören.“
Informations-Kampagne für „67-er Hilfen“
Leben Menschen in „besonderen sozialen Schwierigkeiten“, haben sie einen Anspruch auf individuelle Unterstützung nach Paragraph 67 des Zwölften Sozialgesetzbuches. Im Bereich der ambulanten Hilfen können Betroffene Unterstützung durch sozialpädagogische Berater*innen erhalten, zur gemeinsamen Entwicklung von Perspektiven, zur Unterstützung und Begleitung. Da dieses Angebot nicht ausschöpfend abgerufen wird, hat die Stadt Hannover in Zusammenarbeit mit der Region die Bewerbung dieses Angebotes intensiviert. Unter anderem wird ein Informationsangebot durch speziell geschulte Mitarbeitende vor Ort in einer städtischen Unterkunft in Kürze als Projekt starten. Nach der Sommerpause sollen in den städtischen Unterkünften Flyer verteilt und die Menschen proaktiv auf diese Möglichkeiten angesprochen werden.
Bilanz der Winternothilfe 2021/2022
Wie Oberbürgermeister Onay auf der Pressekonferenz ausführte, ist das für den Winter 2021/2022 aufgrund der Corona-Pandemie ausgeweitete Nothilfeprogramm für Obdachlose „sehr gut angenommen worden“. Eine wichtige Versorgungslücke konnte geschlossen werden.
Das „Nachtcafé“ an der Lister Meile, das vom 15. November 2021 bis Ende April 2022 obdachlosen Menschen nachts eine Anlaufstelle und warme Getränke bietet, haben durchschnittlich pro Nacht 42 Menschen angenommen. In besonders kalten Nächten hielten sich knapp 70 Menschen im Nachtcafé auf. „Ein großes Dankeschön gilt der Obdachlosenhilfe e.V., den vielen Ehrenamtlichen und der Diakonie, die dieses wichtige Angebot gemeinsam mit der Stadt umgesetzt haben“, betonte Dezernentin Bruns.
Den Alten Flughafen zusätzlich als Tagesaufenthalt anzubieten, hat ebenfalls eine breite Zustimmung bei den Menschen erfahren. Durchschnittlich hielten sich 45 Menschen dort auf, etwa 95 Prozent waren Nutzer*innen der Notschlafstelle. Der Männeranteil betrug 85 Prozent. Auch die Ausweitung der Kapazitäten für Drogensüchtige bei La Strada, Neues Land e.V. und Stellwerk wurden gut angenommen. Das gleiche gilt für die ergänzenden Angebote vieler Initiativen und Träger*innen.
Die Stadt hat bereits die Planungen für den nächsten Winter gestartet. In der Diskussion ist, einen Tagesaufenthalt in fußläufiger Nähe des Alten Flughafens zu finden, der noch mehr Kapazitäten und bessere Möglichkeiten für die Versorgung bietet. Auch die Möglichkeit, ein erneutes Nacht-Cafés bereitzustellen, ist Gegenstand der Überlegungen. Wie im letzten Jahr werden die Netzwerkpartner*innen im Rahmen von Workshops in die Planungen einbezogen.