Bahnbrechende Entwicklung in der Genforschung: Frühere MHH-Professorin erhält die Auszeichnung für Chemie
Hannover (pm). Emmanuelle Charpentier, frühere Professorin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), und Jennifer Doudna von der University of California sind heute in Schweden als diesjährige Preisträgerinnen des Nobelpreises für Chemie bekanntgegeben worden. Sie werden die höchste Auszeichnung dieser Disziplin für die Entwicklung der CRISPR/Cas9-Methode am 10. Dezember in Stockholm erhalten. Gemeinsam haben sie die universal einsetzbare Technologie zur punktgenauen Bearbeitung von Genomen entdeckt und weiterentwickelt. „Diese Entdeckung hat innerhalb kürzester Zeit weltweit zu bedeutenden Fortschritten in der Grundlagenforschung ebenso wie in der angewandten Therapieentwicklung geführt“, betont MHH-Präsident Professor Dr. Michael Manns. „Ich gratuliere beiden Forscherinnen zu dieser herausragenden Anerkennung.“
Schon eine leicht veränderte Zusammensetzung eines Gens kann dazu führen, dass für den Körper lebenswichtige Proteine ihre eigentliche Funktion verlieren und schwerwiegende Krankheiten entstehen –von Erbkrankheiten wie Mukoviszidose bis hin zu Krebs. Eine vielversprechende Lösung zur Behandlung solcher Krankheiten ist das CRISPR-Cas9-System, dieses Werkzeug ermöglicht die zielgerichtete Abschaltung oder auch Korrektur fehlerhafter Gene. „Das Potenzial dieser Entdeckung ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft“, ist sich Professor Manns sicher.
Das CRISPR-Cas9-System wurde ursprünglich als eine adaptive Immunantwort in Bakterien beschrieben. Bakterien nutzen sie, um Virus-Angriffe abzuwehren. Im Jahr 2011 identifizierte das Labor von Dr. Charpentier einen wesentlichen Bestandteil des CRISPR-Cas9-Systems, die tracrRNA. Im folgenden Jahr konnte die Forscherin zusammen mit ihren Kollaborationspartnern beschreiben, wie die drei entscheidenden Komponenten des Systems – das Cas9-Enzym und die beiden Lotsen-RNAs crRNA und tracrRNA – zusammenarbeiten. Sie bilden die funktionale molekulare Schere, die das Genom gezielt an einer bestimmten Stelle schneidet.
Diese Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Science im Jahr 2012 veröffentlicht. In der gleichen Publikation konnten sie auch zeigen, wie das System verändert werden kann, sodass mit speziellen RNA-Vorlagen jede beliebige Sequenz innerhalb des Genoms verändert werden kann. Diese grundlegenden Entdeckungen ermöglichten die anschließende Anwendung der Technologie in vielen verschiedenen Bereichen der Wissenschaft. CRISPR-Cas9 wird heute sowohl als Werkzeug in der Forschung als auch in der Entwicklung neuartiger therapeutischer Ansätze für Menschen mit schwerwiegenden Krankheiten verwendet.
Die vielfach ausgezeichnete Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier stammt aus Frankreich und hat in den USA und Österreich gearbeitet, bevor sie diese Technologie an der Universität von Umeå in Schweden entwickelte. Von 2013 bis Ende 2015 war die Humboldt-Professorin an der MHH tätig und forschte bis zum 30. September 2015 am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig. Seit dem 1. Oktober 2015 ist Emmanuelle Charpentier bei der Max Planck-Gesellschaft tätig, seit 2018 als Gründungsdirektorin der Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene.