Im Rahmen des gestrigen Einsatzes schalteten die Ermittlerinnen und Ermittler 50 Server ab – mehr als 200 Terabyte an digitalen Spuren gesichert
Hannover (ots). Am Mittwoch, 04.12.2024, haben Ermittlungsbehörden in einem koordinierten Einsatz wesentliche Strukturen eines umfassenden Netzwerks zur Begehung von Cyberkriminalität zerschlagen. In enger Zusammenarbeit mit Europol sowie Polizeien aus ganz Europa schalteten die niedersächsischen Verfolgungsbehörden über 50 Server ab, sicherten umfangreiche digitale Beweismittel und nahmen zwei Beschuldigte fest.
Bereits seit Herbst 2022 ermitteln die die spezialisierten Ermittler des Fachkommissariats für Cyberkriminalität des Zentralen Kriminaldienstes Hannover und der Zentralstelle Cybercrime bei der Staatsanwaltschaft Verden unter anderem wegen des Verdachts auf gewerbsmäßigen Computerbetrug. Ausgangspunkt der Ermittlungen waren betrügerische Telefonanrufe, bei denen sich Täter als vermeintliche Bankmitarbeiter ausgaben, um sensible Informationen wie TANs, Adressen, Geburtsdaten oder Antworten auf Sicherheitsfragen von ihren Opfern zu erlangen.
Die Ermittlungen zeigten, dass diese sensiblen Daten häufig über einen speziellen Internet-Marktplatz beschafft wurden. Dieser Marktplatz diente als zentrale Plattform für den Handel mit illegal erlangten Daten, die von den Betreibern gezielt an andere Kriminelle – insbesondere „falsche“ Bankmitarbeiter – verkauft wurden. Mithilfe solcher Daten konnten Betrüger ihre Opfer täuschen und weitere Straftaten begehen.
Im Laufe der Ermittlungen stießen die Spezialisten auf ein komplexes Netzwerk aus sogenannten „Fake Shops“. Diese täuschend echt wirkenden Online-Plattformen lockten Käuferinnen und Käufer auf vermeintliche Zahlungsdienstleister-Websites. Ziel war es, die dort eingegebenen Bankdaten und persönlichen Informationen abzufangen – eine Methode, die als „Phishing“ bekannt ist. Die so insgesamt über 63.000 erbeuteten Datensätze wurden anschließend über den besagten Marktplatz angeboten.
Die Ermittlungsgruppe identifizierte zwei Beschuldigte, die diesen spezialisierten Marktplatz betrieben haben sollen. Die Plattform war so konzipiert, dass Käufer die gestohlenen Daten nach Kriterien wie Region und Kontostand filtern konnten, um geplante Betrugsaktionen gezielt und effizient umzusetzen. Mit dieser perfiden Strategie maximierten die Betreiber ihre Einnahmen und schufen ein System, das anderen Kriminellen den Zugriff auf maßgeschneiderte Datenpakete erleichterte. Durch den Verkauf und die Weiterverwendung der Onlinebanking- bzw. Kreditkartendaten ist bei bislang rund 57 Geschädigten ein Gesamtschaden von über 250.000 Euro entstanden.
Im Rahmen des gestrigen Einsatzes schalteten die Ermittlerinnen und Ermittler 50 Server ab, auf denen sowohl der Online-Marktplatz „manson-market“ als auch weitere kriminelle Marktplätze sowie Fakeshops gehostet wurden. Diese wurden beschlagnahmt und mehr als 200 Terabyte an digitalen Spuren gesichert.
Darüber hinaus wurden über 80 Datenträger, Handys, PC´s sowie Bargeld und Kryptowerte im Wert von mehr als 63.000 EUR Euro beschlagnahmt. Die beiden Beschuldigten, ein 27-Jähriger und ein 37-Jähriger, wurden auf Grundlage europäischer Haftbefehle festgenommen.
Insgesamt waren neben der Staatsanwaltschaft Verden und der Polizeidirektion Hannover Polizeibehörden aus den Niederlanden, Finnland, Österreich, Tschechien, Polen und Norwegen sowie Einsatzkräfte von Europol an den Einsatzmaßnahmen beteiligt. Unterstützt wurden die Verfolgungsbehörden dabei von der Nonprofit-Organisation „The Shadow Server Foundation“.
Stimmen zum Ermittlungserfolg:
Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens: „Ich gratuliere allen Beteiligten zu diesem Ermittlungserfolg. Das Verfahren zeigt: Wir werden immer besser darin, auch aus dem Ausland agierende Cyber-Kriminelle zu identifizieren und ihre kriminellen Strukturen zu zerschlagen. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum! Wir haben mit der flächendeckenden Einrichtung der Fachkommissariate Cybercrime und der Schaffung eines digitalen Service- und Kompetenzzentrums im Landeskriminalamt Niedersachsen unsere Ermittlungsbehörden in den letzten Jahren erheblich gestärkt und können guten Gewissens sagen: Die niedersächsische Polizei ist im Cyberraum gut aufgestellt und international sehr gut vernetzt. Dennoch gibt es weiteren Verbesserungsbedarf: Wir könnten im Cyberraum noch häufiger erfolgreich ermitteln, wenn unsere Ermittlungsbehörden die notwendige rechtliche Handhabe hätten. In Deutschland steht die EU-rechtskonforme Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung auch weiterhin ungelöst auf der Agenda. Diese Aufgabe wird eine neue Bundesregierung im kommenden Jahr so schnell wie möglich lösen müssen.“
Niedersächsische Justizministerin, Dr. Kathrin Wahlmann: „Ich gratuliere den Kolleginnen und Kollegen der Staatsanwaltschaft Verden und der Polizeidirektion Hannover zu diesem großartigen Ermittlungserfolg. Die niedersächsischen Strafverfolgungsbehörden stellen damit einmal mehr ihre große Expertise bei der Bekämpfung von Cyberkriminalität unter Beweis. Zum wiederholten Male ist es unseren Spezialisten gelungen, komplexe kriminelle Strukturen im Internet aufzudecken und die Täter aus dem Verkehr zu ziehen. Hier werden wir auch in Zukunft nicht nachlassen – im Gegenteil: Durch weitere Zentralisierung unserer Expertise schaffen wir derzeit die Voraussetzungen, um im Kampf gegen weltweit agierende Banden von Cyberkriminellen in Zukunft noch schlagkräftiger zu werden.“
Präsidentin der Polizeidirektion Hannover, Gwendolin von der Osten: „Die zunehmende Verlagerung krimineller Machenschaften in digitale Netzwerke macht es unverzichtbar, dass wir im Cyberraum präsent sind, kriminelle Strukturen aufdecken und konsequent verfolgen. Dieser Fall verdeutlicht eindrucksvoll, wie wichtig die enge Zusammenarbeit mit unseren nationalen, europäischen und internationalen Kolleginnen und Kollegen ist, um Cyberkriminellen das Handwerk zu legen. Der Erfolg ist das Ergebnis intensiver Ermittlungsarbeit unserer Spezialisten und der exzellenten Vernetzung der beteiligten Behörden über Ländergrenzen hinweg.“
Leiter des Zentralen Kriminaldienstes Hannover, Harry Blome: „Bereits 2022 haben wir als federführende Behörde erfolgreich ein cyberkriminelles Netzwerk zerschlagen. Dieser aktuelle Erfolg ist ein bedeutender Zwischenschritt; die Ermittlungen sind längst nicht abgeschlossen und werden mit Konsequenz und Professionalität fortgesetzt. Dabei unterstreichen wir erneut unsere Fähigkeit, auch komplexe Umfangsverfahren mit höchster Präzision zu bearbeiten und kriminelle Strukturen im digitalen Raum zu bekämpfen.“