Protestkundgebung der Apotheken Norddeutschlands
HANNOVER (bg/pm). Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. hatte für den heutigen Tag zu einem Protesttag der Apotheken in Norddeutschland aus Niedersachsen, Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein aufgerufen. Gegen 12:00 Uhr versammelten sich ca. 3.000 Teilnehmer laut Angaben des Veranstalters zur zentralen Kundgebung vor dem Hauptbahnhof in Hannover.
Apothekenzahl sinkt immer schneller
Die Zahl der Apotheken in Deutschland geht mit immer rasanterer Geschwindigkeit zurück. Mit 17.733 Apotheken ist am Ende des dritten Quartals 2023 ein neuer historischer Tiefstand erreicht (Ende 2022: 18.068). Weniger Apotheken gibt es seit 44 Jahren nicht mehr (1979: 17.296 Apotheken). Der Rückgang in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 mit 335 Schließungen ist zudem höher als im Vergleichszeitraum des Jahres 2022 mit 285 Schließungen. Erneut mussten nicht nur Haupt- und Einzelapotheken dichtmachen (minus 308), sondern auch Filialapotheken (minus 27). Das zeigen Berechnungen der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.
„Die Versorgung der Menschen mit Arzneimitteln ist zwischen Ostsee und Alpen zwar immer noch gesichert, aber der Rückgang der Apothekenzahl ist besorgniserregend“, sagt ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening: „Der wirtschaftliche Druck auf die Apotheken wird immer größer. Durch Lieferengpässe, Personalmangel und eine unzureichende Vergütung ist die Lage der Apotheken extrem angespannt. Die Politik hat das Problem zwar inzwischen erkannt, handelt aber trotzdem nicht. Ganz im Gegenteil: Anstatt das System zu stabilisieren hat die Ampel-Koalition die Apothekenvergütung, die auf dem Niveau von 2004 eingefroren ist, zuletzt sogar gekürzt. Und es kommt noch schlimmer: Gesundheitsminister Lauterbach will nun Apotheken ohne Notdienste und ohne eigene Medikamentenherstellung etablieren. Auch Apotheken ohne Apothekerinnen und Apotheker soll es nach diesen zerstörerischen Plänen geben. Mit ganztägigen Schließungen und zentralen Kundgebungen im November fordert die Apothekerschaft die Bundesregierung auf, die Apotheken wirtschaftlich zu stabilisieren, statt ein Zwei-Klassen-Apothekensystem mit Leistungskürzungen zu propagieren.“
Nach einem ganztägigen bundesweiten Protesttag am 14. Juni und mehrstündigen Schließungen am 27. September schließen im November jeweils mittwochs die Apotheken in einer von vier Regionen. Norddeutschland (Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen) begann am 8. November. Westdeutschland (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Hessen) folgt am 15. November. Danach kommt Süddeutschland (Bayern, Baden-Württemberg) am 22. November. Den Abschluss bildet Ostdeutschland (Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen) am 29. November. An allen Protesttagen sichern Notdienstapotheken die Arzneimittelversorgung ab. In jeder der vier Regionen wird es auch eine zentrale Kundgebung geben, auf der sich die Apothekenteams versammeln, um lautstark zu protestieren.
Niedersächsischen Sozialministers Dr. Andreas Philippi auf der Kundgebung
Dr. Andreas Phillipi (SPD) bei der Kundgebung: „Gesundheit ist ein hohes Gut. Apotheken stehen als zentrale Einrichtung an der Versorgungsschnittstelle zu den Patientinnen und Patienten. Wir beobachten seit Jahren, dass immer mehr Apotheken schließen und nur wenige neu eröffnet werden. Dieses „Apothekensterben“ ist für mich ein Warnsignal. Ich stehe mit Ihren Standesvertretungen in engem, regelmäßigem Austausch.
Die Gründe für diese besorgniserregende Entwicklung sind klar: Apotheken kommen betriebswirtschaftlich an ihre Grenzen. Während sich die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherungen in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt haben, stieg die Vergütung der Apotheken nur um knapp 20 Prozent. Der Fixzuschlag für die Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel ist seit 10 Jahren nicht angepasst worden. Dem gegenüber stehen stetig gestiegene Kosten – auch vor den Apotheken macht die Inflation nicht halt.
Zudem sind die Tariflöhne der angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Apotheken in den letzten Jahren deutlich gestiegen, was absolut richtig ist, denn in den Apotheken arbeitet hochqualifiziertes Personal. Das kann jedoch nur gewährleistet werden, wenn den Inhaberinnen und Inhabern entsprechende wirtschaftliche Spielräume zur Verfügung stehen.
Zur finanziellen Lage trägt auch der erhöhte Kassenabschlag bei, der den Apotheken mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz für 2 Jahre auferlegt wurde. Damit sind die Apotheken mit 170 Millionen Euro pro Jahr belastet.
Deshalb ist es dringend notwendig, die Honorierung der Apotheken anzupassen, damit diese auch in Zukunft nachhaltig wirtschaftlich betrieben werden können und genug junge Apothekerinnen und Apotheker den Weg in die Selbstständigkeit wählen.
Nur so kann die gute Arzneimittelversorgung – die wir trotz Lieferengpässen in Deutschland immer noch haben – weiterhin gewährleistet werden. Dazu wird es jedoch notwendig sein, auch über neue Finanzierungskonzepte nachzudenken.
Dabei möchte ich auch die pharmazeutischen Dienstleistungen hervorheben, mit denen Sie niedrigschwellig die Menschen erreichen. Mit der Durchführung von Medikationsanalysen leisten Sie einen Beitrag für den sicheren und effektiven Einsatz von Arzneimitteln. Blutdruck messen ist bei gefährdeten Patientinnen und Patienten immer eine positive Aktion. Mit dem Angebot, sich in Apotheken gegen Corona und auch gegen Grippe impfen zu lassen, entlasten Sie den saisonalen Ansturm in den Arztpraxen und tragen dazu bei, die Impfquoten weiter zu erhöhen.
Damit wird durch Apotheken vor Ort ein unentbehrlicher Beitrag für die Gesundheit der Menschen in unserem Land geleistet.
Eine weitere Herausforderung der Apotheken ist der Fachkräftemangel. Um diesen abzumildern, haben wir als Landesregierung die Schulgeldfreiheit für die Ausbildung von PTAs ab diesem Sommer umgesetzt. Damit möchten wir sicherstellen, dass niemand mehr aus finanziellen Gründen davon abgehalten wird, diesen verantwortungsvollen pharmazeutischen Beruf zu ergreifen.
Mit einer „Apotheke light“ lassen sich die Probleme hingegen nicht lösen:
- Eine Apotheke ohne Anwesenheit eines Apothekers oder einer Apothekerin,
- Apotheken ohne Rezepturherstellung,
- eine Apotheke, die nicht am Notdienst teilnimmt,
dadurch wird die Versorgungssituation der Bevölkerung nicht verbessert!“