Jubiläum: 50 Jahre Organtransplantation bei Kindern und Jugendlichen an der MHH

Viel Lob gab es bei der ersten Adventsvorlesung des MHH-Transplantationszentrums. - © Nicolas Kayser/Transplantationszentrum/MHH

Ministerpräsident Weil gratuliert / MHH weltweit eines der größten Zentren für Jugendliche

Hannover (pm). Am 4. Dezember 1970 wurde an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) die deutschlandweit erste Organtransplantation bei einer Patientin unter 18 Jahren durchgeführt. Professor Dr. Rudolf Pichlmayr, damaliger Leiter der MHH-Klinik für Abdominal- und Transplantationschirurgie, und sein Team transplantierten einem 13-jährigen Mädchen die Spenderniere eines Verstorbenen. Die Patientin, ihre Eltern und die Ärzte hatten sich zu diesem Pioniereingriff entschlossen, weil die junge Patientin durch die Dialysebehandlung immer schwächer geworden war. Mit der neuen Niere lebte sie noch mehr als 30 Jahre.

Bei der ersten Adventsvorlesung des MHH-Transplantationszentrums gratulierte der Niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil der MHH zu ihrem Jubiläum: „Es gibt kaum Schlimmeres für Eltern, als eine schwere Erkrankung des eigenen Kindes. Viele Mütter und Väter sind der MHH unendlich dankbar für 50 Jahre Organtransplantationen bei Kindern und Jugendlichen. Hinter den den jungen Menschen eingesetzten Nieren, Herzen, Lebern und Lungen stehen Trauer und Tragik bei den verstorbenen Spenderinnen und Spendern und Glück und große Erleichterung bei den Empfängerinnen und Empfängern und ihren Familien. Allen Beteiligten herzlichen Dank und große Anerkennung.“

Auch der MHH-Präsident Professor Dr. Michael Manns zog eine positive Bilanz: „Wir sind an der MHH sehr stolz auf die verschiedenen Kindertransplantationsprogramme. Von der MHH gingen in den vergangenen 50 Jahren zahlreiche international viel beachtete Innovationen aus.“

Die MHH ist das größte Transplantationszentrum Europas und im Bereich der Transplantation bei Kindern und Jugendlichen eines der größten Zentren weltweit. „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachdisziplinen wie der Chirurgie, der Pädiatrie und der Inneren Medizin, um nur einige zu nennen, und verschiedenen Berufsgruppen wie Pflege, Physiotherapie und ärztlichem Dienst hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Transplantationsmedizin in den letzten 50 Jahren zu einer Erfolgsgeschichte geworden ist. Es ist eine Freude allen, die über die Jahre an diesem Erfolg mitgewirkt haben, im Rahmen dieser Veranstaltung für ihr außergewöhnliches Engagement zu danken“, sagte Professor Dr. Tobias Welte, kommissarischer Vorstand für Krankenversorgung.

Aus Pioniereingriffen wurden etablierte Transplantationsprogramme für alle Organe

Das Programm für Nierentransplantation bei Kindern und Jugendlichen wurde an der MHH rasch erfolgreich ausgebaut. Seit 1970 erhielten rund 800 Kinder und Jugendliche an der MHH eine neue Niere. 1978 folgte die erste Leber-, 1985 die erste Herz- und 1990 die erste Lungentransplantation bei minderjährigen Patient*innen. Mittlerweile wurden insgesamt rund 1.900 Organtransplantationen bei Kindern und Jugendlichen durchgeführt.

Heute ist das Transplantationszentrum der MHH das einzige in Deutschland, an dem sowohl Erwachsene als auch Kinder und Jugendliche alle Organe transplantiert werden. „Die große Expertise in der Transplantation bei Kindern ist an der MHH über Jahrzehnte gewachsen“, sagt Professor Dr. Axel Haverich, Leiter des MHH-Transplantationszentrums. „Deutschlandweit stellt die MHH das einzige Zentrum dar, das Lungentransplantationen bei Kindern und sogar Säuglingen durchführt.“

Menschliche Begleitung durch nicht-ärztliches Fachpersonal ist unabdingbar

Die Kinder verbringen oft Wochen bis Monate im Krankenhaus. „Neben den Eltern, die nicht immer die ganze Zeit bei ihrem Kind bleiben können, ist eine regelmäßige ‚menschliche‘ Begleitung unabdingbar“, sagte Privatdozent Dr. Nicolaus Schwerk, Facharzt für pädiatrische Pneumologie und Allergologie, von der MHH-Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie bei der Veranstaltung. „Ich spreche hier nicht nur von Pflegepersonal, sondern auch von Psychologen, Kunsttherapeuten, Sozialarbeitern, Physiotherapeuten, Sporttherapeuten und anderen. Ihre Leistung trägt zur Genesung der Kinder ebenso bei wie die rein medizinische Behandlung. Für die Zukunft wünsche ich mir eine Fortführung der Unterstützung, die die adäquate ganzheitliche Betreuung der chronisch kranken Kinder sicherstellt.“

Juliane Brauner ist im Alter von neun Jahren an der MHH nierentransplantiert worden. Die jetzt 26-Jährige betont: „Wenn ein Kind eine lebensbedrohliche Erkrankung eines Organs hat, ist immer das ganze Kind krank. Eine Folge sind häufig Defizite der Entwicklung in allen Bereichen – körperlich, motorisch, seelisch und sozial-emotional. Das führt fast immer zu Problemen in der Schule, der Ausbildung und im Beruf. Und natürlich leidet die ganze Familie. Deshalb ist die Begleitung durch Therapeuten sowohl vor als auch nach der Transplantation für diese Bereiche zwingend notwendig.“ Juliane Brauner ist aktiv im Verein Nierenkranker Kinder und Jugendlicher und im neu gegründeten Patientenbeirat des MHH-Transplantationszentrums.

Transplantationszahlen 2019 und 2020: Kein Einbruch während der Corona-Pandemie

Mit insgesamt 300 Organtransplantationen von Januar bis Ende November 2020 (2019: 321) konnte das Transplantationszentrum auch während der Corona-Pandemie seine Arbeit erfolgreich fortsetzen.

Insgesamt wurden 20 Herzen, 77 Lebern, 114 Nieren, 84 Lungen und fünf Bauchspeicheldrüsen transplantiert. Zwei Herzen, 22 Lebern, fünf Nieren und elf Lungen gingen davon an Minderjährige.

Im Jahr 2019 waren es im gleichen Zeitraum 20 Herzen, 68 Lebern, 132 Nieren, 96 Lungen und fünf Bauchspeicheldrüsen. Davon erhielten Kinder und Jugendliche drei Herzen, 20 Lebern, 14 Nieren und sechs Lungen.

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