
Erste Operation mit neu entwickelter Technik am Gallengangkarzinom eröffnet neue Chancen für Betroffene
Hannover (pm/redk). Ein als inoperabel eingestufter Tumor, eine jahrzehntealte Idee, modernste Medizintechnik – und ein Team, das medizinisches Neuland betritt: An der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ist es gelungen, einer Patientin mit Gallengangkarzinom eine neue Chance auf Leben zu geben.
Susanne Viehmeier erhielt 2022 die Diagnose Gallenwegskrebs und nannte ihren Tumor fortan „Erich“ – ein Ausdruck ihrer Entschlossenheit, sich dem Schicksal nicht kampflos zu ergeben. Obwohl die Erkrankung zunächst als nicht operabel galt, verließ die 62-Jährige im April 2025 acht Tage nach einem weltweit erstmaligen Eingriff die MHH. Zum Abschied überreichte sie Prof. Dr. Moritz Schmelzle, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, einen Kaktus – ebenfalls „Erich“ genannt.

Der Eingriff basiert auf einem chirurgischen Konzept des renommierten Transplantationsmediziners Prof. Dr. Rudolf Pichlmayr. Ein interdisziplinäres Team um Professor Schmelzle griff die Idee auf und entwickelte daraus unter Einsatz modernster Technik eine neuartige Operationstechnik. Am 1. April 2025 führten die Ärztinnen und Ärzte die erste Operation dieser Art durch – mit Erfolg: Der bösartige, alle drei Lebervenen befallende Tumor konnte vollständig entfernt werden.
Innovative Leberoperation unter Einsatz modernster Kreislauftechnologie
Im Zentrum des Eingriffs stand die vollständige Trennung der Leber vom restlichen Blutkreislauf, ermöglicht durch den Einsatz der extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO). Dieses Verfahren, das normalerweise als Herz-Lungen-Maschine fungiert, wurde hier genutzt, um die Kreislauffunktion während der OP aufrechtzuerhalten. Parallel versorgte ein spezielles Perfusionsgerät die Leber mit einer gekühlten, sauerstoffreichen Nährlösung.

„Nur weil die Leber blutleer war, konnten wir in der OP eine Lebervene rekonstruieren. Dank der kontrollierten Kühlung und kontinuierlichen Sauerstoffzufuhr hatten wir dazu genug Zeit. Es lief alles glatt“, erklärt Professor Schmelzle.
Zwei Eingriffe, ein Ziel: Leben retten
Bereits acht Tage vor der eigentlichen Tumorentfernung hatte Susanne Viehmeier einen vorbereitenden Eingriff erhalten. Dabei wurde die Leber gesplittet und der Blutfluss umgeleitet, sodass der verbleibende Leberlappen vor der Hauptoperation anwachsen konnte.
Personalisierte Krebstherapie ermöglichte den Eingriff
Grundlage für die Operationsmöglichkeit war eine innovative, experimentelle Therapie, die dank der Vorstellung im Molekularen Tumorboard (MTB) an der MHH initiiert wurde.
„Dadurch konnte Frau Viehmeier eine personalisierte und zielgerichtete Krebsbehandlung erhalten. Durch eine experimentelle Therapie außerhalb des Standards hat der Tumor an Größe abgenommen, und es konnten bessere Voraussetzungen für eine Operation geschaffen werden“, sagt Privatdozentin Dr. Anna Saborowski.
Leberzentrum der MHH: Hoffnung für aussichtslose Fälle
Als zertifiziertes Leberzentrum und Teil des Comprehensive Cancer Center (CCC) bietet die MHH auch für komplizierte Krebserkrankungen spezialisierte Behandlungsstrategien.
„Unsere Aufgabe als überregionales Comprehensive Cancer Center ist es, komplizierte Fälle zu begutachten. Die Behandlung von Frau Viehmeier zeigt, welche Fortschritte wir in der systemischen und operativen Tumortherapie gemacht haben“, betont Professor Schmelzle.
Susanne Viehmeier hat nun ein neues Ziel: den 50. Hochzeitstag mit ihrem Ehemann Holger. Im Herbst feiern beide bereits ihren 40. – ein Ereignis, das vor einem Jahr noch kaum denkbar war.